Der Pfarrchronik ist der nun folgende Zeugenbericht zu entnehmen:
"Am 8. November 1938 nachmittags 6 Uhr wurde Clemens August, Graf von Galen, der Bischof von Münster, vom gesamten Klerus des Dekanates Sterkrade auf dem Schulhof des früheren kath. Lyzeums empfangen. Nach der Begrüßung durch den Herrn Dechanten begab sich der Bischof in die überfüllte Clemenskirche, wo er eine Predigt hielt und den Segen spendete.
Darauf sollte der Bischof in Prozession mit den Messdienern und Fahnen zur Wohnung des Dechanten geleitet werden. Als die Prozession den Kirchplatz verlassen wollte, um die Straße zu überqueren, wurde dem Kaplan, der die Meßdiener führte, von hohen Polizeibeamten bedeutet, daß Demonstrationszüge nicht statthaft seien. Die Prozession mußte stehen bleiben. Die Spannung der Anwesenden stieg, als die Polizeibeamten sich dem Bischof näherten. Die Menge brach in spontane Heilrufe aus, die nicht enden wollten.
Der Bischof erklärte den beiden Polizeibeamten, daß es ihm in der ganzen Diozöse noch nicht vorgekommen sein, daß er mit seinen Priestern nicht zum Pfarrhaus ziehen dürfe. Die Polizei forderte den Bischof auf, er solle sich ein Auto bestellen, um zur Wohnung des Dechanten zu fahren. Der Bischof aber betonte, daß er das Recht habe, mit den Geistlichen die Straße zu passieren. Die Polizei aber löste die Prozession auf, die Messdiener und Fahnenträger durften nicht weiter mitgehen und so ging der Bischof unter den ständig ansteigenden Hoch- und Heilrufen, begleitet von Geistlichen und Tausenden von Gläubigen durch die illuminierten Straßen zur Wohnung des Dechanten.
Obwohl die Polizei die Menge abdrängen wollte, forderten die Gläubigen, insbesondere die Jugend, durch laute Rufe "Wir wollen unseren Bischof sehen!" Er kam ans Fenster und neue Beifallsstürme schollen dem Bischof entgegen.
Nach Erteilung des bischöflichen Segens forderte er die Menschen auf, jetzt heimzugehen. Auf das Wort des Bischofs löste sich die Menge sofort auf. Die herrschende Disziplin erregte allerseits Bewunderung.
in der folgenden Nacht wurde dem Bischof von gewissen Leuten ein Ständchen gebracht. An Gemeinheit nicht zu überbietende Lieder und Rufe wurden in die Nacht gegrölt.
in den Morgenstunden des folgenden Tages war der Sturm auf die jüdischen Geschäfte, in die Geschichte eingegangen als Reichskristallnacht.
Der 13. November 1938, ein Sonntag, war als Tag der Spendung der hl. Firmung bestimmt.
Vom Portal der Kirche bis zum Bürgersteig war ein 3 m breiter Weg mit Platten belegt worden. An der Straße (auf kirchlichem Grund) erhob sich ein 6 m hoher Triumphbogen, geschmückt mit dem bischöflichen Wappen und der Inschrift "Gott segne unseren geliebten Bischof!". Auf dem Kirchplatz und vom Turm wehten die Kirchenfahnen.
In der Nacht zum 13.11. um 0:20 Uhr stürmten 8 bis 10 Männer, 4 davon in SA-Uniform, auf den Kirchplatz, schlugen ein großes Loch in die Säule des Ehrenbogens und zerbrachen einige kleine Fahnenstangen.
Zu weiteren Untaten kamen sie nicht, da die Wache haltenden Jungmänner aus der Gemeinde "Sturm" läuteten. Der Pfarrer rief das Überfallkommando an, das den Rest der Nacht eine Polizeiwache für den Kirchplatz stellte.
Um 9 Uhr traf der Bischof vor der Kirche ein und spendeten nach der hl. Messe 486 Kindern und Erwachsenen das Sakrament der Firmung.
Zu den herrlichsten Erlebnissen seit Bestehen der Pfarrgemeinde zählte zweifellos auch die große Treuekundgebung der Jugend am Abend desselben Tages. Jugendliche aus dem ganzen Dekanat waren gekommen und überfüllten die Kirche. Unter feierlichem Glockengeläut hielt der Bischof Einzug in die Kirche. Im Altarraum hatte man einen Thron errichtet, geziert mit dem bischöflichen Wappen. Von hier aus nahm der Bischof den Treueschwur der Jugend entgegen.
Danach bestieg der Bischof die Kanzel und hielt der Jugend eine begeistert aufgenommene Predigt.
Mit Firmerneuerung und sakramentalem Segen schloss die Feierstunde. Als der Bischof unter dem Klang der Glocken die Kirche verließ, gaben ihm 18 Geistliche das Geleit, umgeben von mehreren Tausend Jugendlichen.
Immer wieder umbrausten Hoch- und Heilrufe den geliebten Oberhirten, der nach einer Weile am Fenster des Pastorats erschien und der Menge, die Bekenntnislieder sang, seinen Segen erteilte."
(Soweit die Aufzeichung der Chronik)
Der Bischof, auf den alle Gläubigen stolz waren, ließ durch seine Predigten im Juli und August 1941 die Welt aufhorchen. Sie verunsicherten die Nationalsozialisten dermaßen, daß sie nicht gegen ihn einzuschreiten wagten.
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