Auf seelsorgerischem Gebiet hatte das religiöse Leben einen erfreulichen Aufschwung genommen. Die Fronleichnamsprozession war inzwischen Tradition geworden. Der Prozessionswege wurden immer schöner ausgeschmückt. Die Mütter nähten Fähnchen und Wimpel, die von den jungen Leuten am Vorabend des Festes quer über die Straße gespannt wurden.
Ein riesiges Pferdefuhrwerk brachte frisch geschlagene Birkenstämmchen, die dann zumeist von den Vätern so in die Erde geschlagen wurden, daß sie zu beiden Seiten die Straßen umsäumten. Keine noch so schöne Allee konnte festlicher aussehen.
Der Schreinermeister Hegermann von der Köperstraße hatte einen riesigen Triumphbogen aus Holz zusammengefügt und mit Blumen und Fahnen geschmückt quer über die Straße gestellt. Fürwahr ein richtiger Triumphbogen.
Segensaltäre wurden aufgestell an der Köperstraße von Familie Belting, an der Kirchhellener Straße Ecke Bremener Straße von den Familien Lutz/Lehmann und auf der Reinersstraße von der Familie Grundmann. Diese Tradition wird bis heute fortgesetzt.
Nach getaner Arbeit fegten die Kinder die Straße blitzblank und die Mütter bauten Fenster und Türaltärchen auf. Dazu wurden alle verfügbaren Deckchen und Spitzchen und Heiligenfiguren und Kreuze und Kerzen schön manierlich aufgebaut. Die Blumenbeete im Garten wurden geplündert und das Hausaltärchen damit geschmückt, womit das Kunstwerk den letzten Glanz erhielt.
Nach getaner Arbeit wurde die Straße noch einmal in Augenschein genommen und erst dann, wenn alle mit dem Ergebnis zufrieden waren, wurde sich der Kinder angenommen. In der Küche auf dem Herd brodelte das Badewasser und der Reihe kamen sie ins Fass. Wurden mit Bürste und Kernseife abgeschrubbt und wie sie nach dem Bad, angetan mit ihren Nessel-Nachthemdchen, auf der Bank in der Küche saßen, da strahlten die Augen mit den blitzeblanken Bäckchen um die Wette.
Die Jungen hatten mit dem Bad die Prozedur der Körperpflege hinter sich gebracht, doch den kleinen Mädchen wurden zur bevorstehenden Feier noch das Haar mit Zuckerwasser gefestigt und auf Röllchen aus Zeitungspapier aufgedreht. Am nächsten Morgen waren sie nach dem Kämmen die reinsten Engelein. Wenn sie dann noch ein hübsches, gestärktes Kleidchen anzogen, waren sie die Schönsten im Land und ihr Stolz kannte keine Grenzen.
Bevor die Prozession kam, sprengten die Anwohner noch die schon wieder staubige Straße und streuten darauf einen bunten Blumenteppich und niemand hätte es gewagt, diesen Teppich zu betreten, denn das war der Prozession vorbehalten.
In der Kirche und draußen vor der Tür versammelten sich die Gläubigen, die an der Prozession teilnehmen wollten. Die Kinder wurden von den Lehrpersonen betreut und bekamen bunte Blumenkörbchen oder Fähnchen oder aber eine Kissen aus glänzender Seide, auf dem ein kunstvoll gefertigtes goldenes Lämmchen ruhte.
Die kleine Anna wünschte sich doch so sehnlich, ein solches Kissen tragen zu dürfen. Wie wollte sie es andächtig halten und es immer anschauen. Doch die Lehrerin fand sie mit ihrem Kleidchen nicht schön genug, eine solche Kostbarkeit tragen zu dürfen und so mußte sie sich mit einem Fähnchen begnügen. Während der ganzen Prozession hielt die kleine Anna das Köpfchen gesenkt und hin und wieder suchte sich ein bitteres Tränchen seinen Weg.
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